Bestimmte Situationen, die einen "nerven" kennt wohl jeder Mensch. Im Wartezimmer einer Arztpraxis sitzt auf dem Stuhl nebenan eine Person die ständig mit dem Bein hippelt. Oder man sitzt im Kino und jemand raschelt laut mit einer Chipstüte. Es könnten dazu noch viele Beispiele aufgeführt werden. Dabei handelt es sich fast ausschliesslich um harmlose Alltagsgeräusche.

 

Wie bei vielen Erkrankungen sind die Grenzen fliessend, so auch bei Misophonie. Wo liegt also das Problem? Dazu muss etwas ausgeholt werden.

 

Der Begriff "Misophonie" setzt sich aus zwei griechischen Wörtern zusammen. Zum einen "Miso" (Hass), und "Phonia " (Geräusche), was zusammen soviel wie "Hass auf Geräusche" bedeutet. Charakteristisch für Misophonie sind extreme emotionale Reaktionen auf normale Geräusche, oder auch visuelle Eindrücke. Persönlich bekannt sind auch starke Reaktionen auf olfaktorische Wahrnehmungen (Geruchssinn). Die Lautstärke spielt dabei eine untergeordnete Rolle, zum Teil genügen auch visuelle Reize. Diese sogennanten "Trigger" lösen heftigste Emotionen wie z.B. Wut, Aggression oder Ekel aus. Im Vergleich zu o.g. Beispielen erfolgen die Reaktionen der von Misophonie betroffenen Personen unmittelbar, unfreiwillig und in voller Ausprägung. So, als wenn ein Schalter betätigt werden würde. Die Bandbreite kann von Irritationen, Hass bis zu Mordphantasien durchlaufen. Häufig äußert sich das Empfinden von Betroffenen in verbalen Aggressionen, oder in auffällig bösen Blicken (wenn Blicke töten könnten). Beschreiben könnte man dieses Gefühl auch wie mit einem totalen Blackout im Kopf, als wenn die Person nur noch aus Wut, Aggression und Ekel bestehen würde, und dementsprechend handelt.

 

Identifiziert wurde die Störung erstmals 1997 von der Audiologin Marsha Johnson, sie nannte sie "Selektive Geräuschintoleranz" (Selective-Sound-Sensitivity-Sondrom, oder kurz 4S). Der Begriff "Misophonie" stammt aus dem Jahre 2001 von den Neurowissenschafltern Dr. Pawel und Dr. Margaret Jastreboff. Der Begriff wird mittlerweile durchgehend verwendet, und schliesst auch visuelle Trigger mit ein.

 

Leider ist der Begriff "Misophonie" noch nicht weitgehend verbreitet. Die Erkrankung erzeugt bei den Betroffenen einen hohen Leidensdruck, und ist immer mit ausgeprägten heftigen Emotionen verbunden. Auch körperlich sind die Reaktionen spürbar, der Blutdruck kann steigen, auf dem Kopf macht sich ein starker Druck breit, die Hände ballen sich zu Fäusten, ein Hitzegefühl im Brustbereich ist fühlbar, usw..

 

Misophoniker können die für sie so belastenden Geräusche nicht aushalten, und versuchen mit allen Mitteln diesen zu entkommen. Ein Vermeidungsverhalten grenzt den Alltag von Betroffenen immer mehr ein, und führt zur Isolation der Personen, bis hin zu einem kompletten Rückzug aus dem sozialen Leben. Das Umfeld der Betroffenen reagiert häufig mit Unverständnis, und stempelt die Reaktionen der Betroffenen als Übertreibung oder Überempflindlichkeit ab.